An diesem nebelverhangenen Herbstmorgen des Jahres 2009 nehmen fünf Audi R8 V10 die Betonbahnen unter ihre Breitreifen. An der Spitze ein silberfarbener Bolide, "DTM Safety Car" steht auf der Fronthaube. Die Kolonne bewegt sich über das Rollfeld, biegt sanft beschleunigend auf die Startbahn ein. Der graue Beton glänzt vor Nässe, die großen Warnleuchten des Safety Cars schicken grellgelbe Lichtfinger in den Dunst. Dann ändert sich der Fahrbahnbelag. Aus dem Beton wird Asphalt, statt der vier Kilometer langen, schnurgerade Piste haben die Fahrer nun eine kurvenreiche, leicht hügelige Strecke vor sich, die Ideallinie begrenzt durch rot-weiße Curbs, jene für Rennstrecken typischen Randsteine. "Jetzt sind wir auf dem ganz neuen Herzstück des Kurses", verrät Jörg Völske. Der 41-Jährige steuert das Safety Car. Er ist Chef-Instruktor des Driving Centers Groß Dölln, dem Betreiber der Anlage. Seine Aufgabe: Führung und das Handling der Strecke testen.
"Knapp 2,5 Kilometer lang und zwölf Meter breit ist der neue Track", schreit Völske und versucht, das angsteinflößende Crescendo des 525-PS-Triebwerks zu übertönen. In weniger als vier Sekunden wird der Wagen auf 100 km/h katapultiert. Dreistellig geht's weiter, durch elf Links- und acht Rechtskurven, G-Kräfte zerren an den Nackenmuskeln, der Magen meldet sich, dann ist man wieder am Ausgangspunkt.
Anlass für dieses morgendliche PS-Manöver ist die Fertigstellung des asphaltierten Rundkurses, der sich durch Anschlussstellen an die Betonpisten bis auf etwa elf Kilometer erweitern lässt. Logisch, dass sich die Instruktoren des Driving Centers, die sonst Fahrsicherheitstrainings durchführen, diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Und nachdem auch eine Gruppe polnischer Kawasaki- Fahrer ein paar Dutzend Runden ohne Ausrutscher überstanden hat, steht fest: Der neue Teil der Strecke ist in jeder Beziehung perfekt.
"Wir haben auch nichts anderes erwartet", meint Peter Moers, 46, Betriebsleiter des Driving Centers. Schließlich sei der Kurs vom Meister des Formel-1-Rennstreckenbaus, Hermann Tilke aus Aachen, realisiert worden. "Zu Tilkes Projekten gehören beispielsweise der ‚Shanghai International Circuit' in China, der ‚Yas Marina Circuit' in Abu Dhabi und der für 2010 neu in den Formel-Zirkus aufgenommene ‚Korean International Circuit' in Südkorea", erzählt Moers nicht ohne Stolz. Entsprechend hoch seien die Investitionen gewesen: "3,2 Millionen Euro sind für die Baukosten draufgegangen. Hinzu kommen rund 250.000 Euro für das Genehmigungsverfahren." Doch nun habe man den behördlichen Segen für Motorsportveranstaltungen und Tests "wie andere bekannte Rennstrecken auch".
Neben vielen namhaften Automobilherstellern hat Audi bereits entschieden, die neugebaute Rennstrecke als Schwerpunkt für die "Audi Driving Experience" zu wählen. Und VW wird den Ring zum zentralen Stützpunkt für Sportfahr- und Lizenzlehrgänge mit dem GTI ausbauen. "Wir gehen davon aus, dass sich auch BMW, Lexus, Toyota und der Nutzfahrzeugsektor für unser erweitertes Angebot interessieren werden", zeigt sich Moers optimistisch. "Trotzdem bleiben wir unserer verkehrspolitischen Verantwortung treu und bieten für jeden Verkehrsteilnehmer Fahrsicherheitstrainings an."
Neben dem Kerngeschäft mit der Automobilindustrie will sich Moers aber auch jenen Motosportenthusiasten verstärkt widmen, die in Auto- und Motorradklubs organisiert sind und nach einer perfekten und dabei erschwinglichen Rennstrecke Ausschau halten. Da Platz ohne Ende da sei, wären auch größere Veranstaltungen kein Problem. Die reine Nutzfläche des Driving Centers beträgt etwa 300 Hektar, zum Vergleich: Die Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings ist etwa 125 Hektar groß. Selbstverständlich stehe die notwendige Infrastruktur zur Verfügung, vom Erste-Hilfe-Dienst mit Rettungswagen bis zur Versorgung mit Essen und Getränken. (automobilreport.com/ar/AI/UM)
|