Sonntag, 9. Januar 2011 „Auto-News“: Zwischen Meldung und Märchenstunde
 Auf Russlands Straßen geht's offenbar nicht immer so gesittet zu ... Foto: Auto-Reporter.NET
Tag für Tag umrunden jede Menge Meldungen den Globus, in denen es in irgendeiner Form auch ums Auto geht. Mitgeteiltes hat große Spannweite; es kann informativ, langweilig, manchmal auch albern sein. Hin und wieder ist wohl Märchenstunde angesagt. Auch fragwürdige Meldungen werden weiter ihre Runden drehen, weil nicht gelingen kann, jede einzelne auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Mancher Nachricht mit einer Portion Skepsis zu begegnen, scheint angebracht. Etwa wenn sie überschrieben ist, wie geschehen: „Russische Autos erobern den europäischen Straßenverkehr.“ Da fragt man sich doch von vornherein, wo denn der Beobachter solche Erkenntnis gewinnen konnte.
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Auf europäischen Straßen mangelt es schließlich an adäquater Widerspiegelung seiner Behauptung. Die gewählte ergreifende Titelzeile hat Schlagseite. Oder sichtet etwa jemand zuhauf russische automobile Eroberer auf unseren Straßen? – 4.600 Lada-Neuzulassungen in Deutschland wie im Jahre 2009 dürften für eine Attacke jedenfalls nicht ausreichen.
Bleiben wir gleich bei Russland: In einer anderen Nachricht heißt es, russische Fahrzeugführer, die in ihrem Land gegen das neue Null-Promille-Gesetz verstoßen, büßten den Führerschein ein. Die Glaubwürdigkeit solcher Nachricht ist von vornherein „gefühlt“ größer. Gegebenenfalls, so heißt es weiter, hätten Alkoholsünder hinterm Lenkrad sogar Aussicht, 15 Tage Gefängnisluft zu atmen. Abschreckung sei angesagt, der Staat wolle endlich durchgreifen. Im Kontext heißt es, dass jährlich 26.000 Menschen auf den Straßen der russischen Föderation sterben. 2.000 Verkehrstote sollen 2009 allein aufs Konto alkoholisierter Autofahrer gekommen sein. Bedrückende Zahlen, deren Nachprüfung im Zweifel aber möglich ist.
Öfter wird in Meldungen aus Russland Klage geführt, staatlichen und behördlichen Bemühungen um mehr Sicherheit beim Autofahren stehe das geringe Sicherheitsbewusstsein des einzelnen Fahrzeugführers entgegen. Dass da „was dran“ sein dürfte, lässt sich auch irgendwie fühlen. Verbreitetet bei russischen Autofahrern, heißt es, sei beispielsweise eine bedenkliche Einstellung zum Sicherheitsgurt. Noch immer hielten sich die Vorstellung und Ausrede, ein Angegurteter könne sich im Falle eines Crashs aus einem brennenden Auto kaum befreien. Dass erlittene Verletzungen solche Selbsthilfe möglicherweise aussichtslos machen, werde ignoriert. Auch in Deutschland soll es Autofahrer mit vergleichbaren Ansichten geben.
Originelles lässt sich in russischen Nachrichtenquellen ebenfalls finden. Das bestätigt die Nachricht zu einem interessanten Versuch der Stadt Lipezk: Kontrollierende örtliche Verkehrspolizisten belegten Gurtmuffel mit Geldstrafen, während sie brav Angegurtete mit Schokolade belohnten. Nicht mitgeteilt wurde, ob das Beispiel sogleich irgendwo Schule machte.
Auch auf Moskaus Straßen scheint es nicht immer ganz alltäglich zuzugehen. Jedenfalls ist das von der Nachricht abzuleiten, dass Verkehrspolizisten der russischen Metropole zu Pferde in der Stadt auftauchten, deren Rösser zuvor aber mit aufgemalten Farbstreifen symbolisch in Zebras verwandelt worden seien. In der Nähe von Fußgängerpassagen mit Zebrastreifen verteilten die berittenen Ordnungshüter Flugblätter an Autofahrer, denen die Aktion zuerst gegolten habe. Sie sollte an die im Straßenverkehr geforderte gegenseitige Rücksichtsnahme erinnern. Eine Randnotiz war, dass der Einfall Tierschutzorganisationen auf die Palme brachte, die der Moskauer Polizei vorwarfen, sie behandele „Tiere wie Müll“.
Anschaulicher und überzeugender als Meldungen vermitteln Bilder, insbesondere Videos, wie offensichtlich eine Mischung aus Gleichgültigkeit und Risikobereitschaft das Verhalten nicht weniger russischer Autofahrer prägt und zu einer latenten Gefahr im Straßenverkehr wird. Als eine Art Mutprobe scheint das Missachten innerstädtischer Ampelsignalen zu gelten, wie die von Überwachungskameras der Polizei festgehaltenen Vorgänge an Straßenkreuzungen schlussfolgern lassen. Erschütternden Anschauungsunterricht zu solchem Geschehen vermittelt Youtube mit mehreren Filmsequenzen, die von russischen Überwachungskameras stammen. Im Internet ist auch das Geschehen auf der „gefährlichsten Kreuzung der Welt“ zu erleben, als die der Slawy-Platz in St. Petersburg gilt. (Auto-Reporter.NET/Wolfram Riedel)
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