Am 5. April 1885 erhielt ihr 60 Kilo schwerer Motor, der aus 264 Kubikzentimetern Hubraum bei 650 U/min ein halbes PS Leistung entwickelte, das Reichspatent Nr. 43926. Der Motor kam im gleichen Jahr bereits in einem Zweirad mit Stützrädern zum Einsatz. Dem „Reitwagen“, den Daimlers Sohn Paul am 10. November 1885 als erstes Fahrzeug mit Verbrennungsmotor überhaupt fuhr. Im Frühjahr 1886 lenkte Daimler das erste Boot mit Motorantrieb über die Fluten des Neckars und begann eine Kutsche, die er am 8. März für seine Frau bestellt hatte, mit einem Motor auszustatten. Damit war das erste vierrädrige Auto geboren, das Ende 1886 seine ersten Meter zurücklegte. Allerdings ein paar Monate zu spät, um dem Kollegen Carl Benz die Ehre des erste fahrbaren Automobils streitig zu machen. Seit jenen Tagen beschäftigt die Frage die Autoexperten, welcher der beiden Pioniere der bedeutendere im Hinblick auf die Entwicklung des Automobils war. Begegnet sind sich Daimler und Benz im wahren Leben wahrscheinlich höchstens einmal und verkehrten ansonsten nur über Anwälte, weil Daimler sein Patent der Glührohrzündung durch Benz verletzt sah. Für Daimler sprechen seine richtige Einschätzung des vierrädrigen Automobils, seine tragfähigeren und erfolgreicheren Motorkonzepte und seine unternehmerischen Fähigkeiten. Benz dagegen war der innovativere Geist. Im gebührt nicht nur der Lorbeer für das erste Auto, sondern auch für die Entwicklung weiterer unverzichtbarer Komponenten wie Schaltgetriebe mit Kupplung, Wasserkühler, Differential und Achsschenkellenkung. Für den Mannheimer Carl Benz galt zudem in besonderem Maße: Neben einem erfolgreichen Mann steht immer eine starke Frau. Bertha Benz geborene Rieger (1849–1944), sicherte mit ihrer Mitgift nicht nur das wirtschaftliche Überleben ihres unternehmerisch eher glücklos agierenden Gatten, sie „schmiss“ den Haushalt mit fünf Kindern und stärkte ihrem Mann auch unbeirrt moralisch den Rücken. Was ihr unsterblichen Ruhm in der Geschichte des Automobils sicherte, war 1888 ihre Pionierfahrt, die den Beweis antrat, dass das Auto nicht nur ein technischer Gag, sondern ein zukunftsfähiges Transportmittel war. Doch die Idee des Automobils, ob praxistauglich oder nicht, hatte sich in den Köpfen innovativer Geister in allen modernen Nationen festgesetzt. In Amerika, Frankreich, aber auch in Dänemark werkelten Tüftler an ersten Automobilen. Der unternehmerisch orientierte Gottlieb Daimler beschleunigte die Entwicklung des Autos in seinen Kindertagen dabei auf zwei Wegen. Er begann seine Autos erfolgreich zu exportieren und vergab großzügige Lizenzen für seine Entwicklungen. Bereits 1891 landete Daimler seinen nächsten Coup, indem er den ersten Lastwagen vorstellte, der 2,5 Tonnen bewegen konnte. 1897 lief zum ersten Mal das Konzept des Verbrennungsmotors, das sich bis heute neben dem Otto-Motor im Automobilbau erfolgreich etabliert hat, der Dieselmotor, der es allerdings erst 1924 zum Fahrzeugantrieb in einem Lastwagen brachte. Um sich dauerhaft als leistungsstarke und komfortable Antriebsquelle etablieren zu können, entstand kaum zehn Jahre nach der Erfindung des Autos der erste Zwei-Zylinder-Motor. Carl Benz entwickelte dafür das Prinzip des Boxer-Motors. 1898 baute Daimler seinen ersten Vierzylinder. Im gleichen Jahr veränderte die französische Erfindung des Stoßdämpfers die Fahrwerksentwicklung entscheidend, ebenso die Entwicklung des luftgefüllten Reifens durch den Schotten John Boyd Dunlop (1840–1921). 1902 stellte der amerikanische Hersteller Packard die H-Schaltung für die Kraftübertragung vor. Seine optimistische Unschuld verlor das Automobil am 28. Juli 1914 mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, dem am 1. August das deutsche Kaiserreich folgte. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs sah sich das Automobil plötzlich in die Rolle der tragenden Säule einer neuartigen technischen Kriegsführung gedrängt, wie sie die Welt noch sie gesehen hatte. (ampnet/tl)
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