Hart und wenig herzlich - die Dakar bleibt sich einmal mehr treu. Zählten bisher Sekunden, wird bald auch bei den Topteams in Minutenabständen gerechnet. Nach der fünften von 15 Tagesetappen ist das Spitzenduell zwischen Herausforderer VW und Platzhirsch Mitsubishi in vollem Gange. VW-Neuzugang Carlos Sainz behauptet nach dritten Tagesbestzeit weiter die Spitze. Hinter dem ehemaligen Rallyeweltmeister folgt Teamkollegin Jutta Kleinschmidt. Auf Platz drei lauert Luc Alphand als bestplatzierter Mitsubishi-Fahrer. Während mit den Mark Miller, Giniel De Villiers und Bruno Saby dahinter noch alle VW Race Touareg gut im Rennen liegen, musste sich mit dem zweifachen Dakar-Sieger Hiro Masuoka nach einem Unfall schon einer aus dem Mitsubishi-Quartett verabschieden. Platzierungen, von der Ellen Lohr und ihr Beifahrer Detlef Ruf nur träumen können. Im Vorjahr erstmals in einem Buggy am Start und nach wenigen Tagen ausgeschieden, geht sie diesmal mit einer 280 PS starken Prototypen-M-Klasse des schwäbischen ORC-Teams ins Rennen. An ein erneutes Scheitern, denkt die Wahl-Monegassin trotz gegenteiligen Statistiken erst gar nicht. Selbstbewusst erklärte die ehemalige DTM-Piloten am Start: "Wir wollen und werden in Dakar ankommen. Und wenn uns dies gelingt, bin ich sicher, dass wir in den Top-20 landen." Danach sieht es im Moment weniger aus. Mit satten 3,45 Stunden Rückstand auf den Führenden steuerte die 40-Jährige ihren hochbeinigen ML 350 gestern ins nächtliche Biwak und hat dabei auf den zwei letzten Tagesetappen sogar 30 Plätze gut gemacht. Dennoch: Zwischenrang 33 ist für eine Herzblut-Motorsportlerin weniger toll. "Es lief prima. Zwar ginge es schneller, aber wir wollen keine unnötigen Risiken eingehen. Vorgestern habe ich versucht aus der Staubfahne heraus einen anderen Teilnehmer zu überholen, dabei einen Stein getroffen und mir prompt zwei Plattfüsse eingefangen. Auch wenn es mir nicht leicht fällt, aber ich muss das Renntier in mir zügeln." Die in Eigenregie aufgebaute M-Klasse muss laufen - möglichst bis Dakar. Schliesslich ist Ellen Lohrs Prototyp nur die private Speerspitze eines von Mercedes Benz in die Wüste geschickten Serviceteams. Auch wenn sich laut Auto-Reporter die Freude von Motorsport-Chef Norbert Haug darüber in engen Grenzen hält, an anderer Stelle sieht man dieses Werksengagement positiv. "Ein gutes Feld, um die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der gesamten Produktpalette von Mercedes Benz unter Beweis zu stellen, erklärt Andreas Renschler, im Vorstand von DaimlerChrysler zuständig für Nutzfahrzeuge. Beim Namen Mercedes wird zwangsläufig genauer hingeschaut. Da ist der Druck gross, weiss auch die Konkurrenz, drückt der neuen Wüsten-Lady einen Daumen und tobt weiter. Heute insgesamt 792 Kilometer vom marokkanischen Tan Tan nach Zouerat in Mauretanien. Erst dann zeigt sich die wahre Dakar. Wüste, nichts als Wüste. Ellen, ihre M-Klasse und auch das Mercedes Benz-Serviceteam waren noch nie hier. Egal. Die Startnummer 320 will sich sowieso aus dem Staub machen: "Hier fährt man wie gegen eine Wand. Im Blindflug ist an überholen nicht zudenken. Das ist der Nachteil, wenn man im Feld unterwegs ist. Aber ich bin zuversichtlich. Bis Dakar liegen nur noch 10 Tage vor uns." Man schaut nach vorn. Der für viele ersehnte Ruhetag am Sonntag, bis zu dem sich die Reihen in der rasende Hightech-Karawane nochmals deutlich lichten, ist für Ellen Lohr und das Mercedes Team jedenfalls kein Ziel.
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