Auf der einen Seite das Bewusstsein, jeweils die Top-Version mit sportlicher Note zu fahren mit AMG Styling, AMG Alurädern, AMG Sportfahrwerk auf Basis Active Body Control, AMG Hochleistungs-Bremsanlage oder dem eigenständigen AMG Interieur. Auf der anderen Seite das Gefühl, dass man könnte, wenn man wollte. Will man, geschieht alles spontan, mit unglaublicher Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit. Man hat das Gefühl, die Siebengang-Automatik schafft es sogar in den kleinen Gängen, die ganze Kraft an die Räder und auf die Strasse zu bringen. Überholen verliert so an Risiko, Beschleunigen wird zum Fest und das Fahren mit hoher Geschwindigkeit zum stressarmen Vergnügen. Kein Gedanke wird mehr verschwendet an das Gewicht des Autos, denn man spürt es nicht, und selbst beim Fahren durch enge Kurven vergisst man die mehr als zwei Tonnen Auto um einen herum. Das ist alles so perfekt, wie es heute nur sein kann. An dieser Tatsache führt auch kein Nörgeln am hohen Preis und am mit 14,5 Litern nicht einmal unangemessen hohen Durchschnittsverbrauch vorbei. Überfluss ist Luxus, und Luxus kostet, bei der S-Klasse AMG laut Auto-Reporter ab rund 130'000 Euro und für den CL ab 145'000 Euro. Hätte man bei diesen Preisen und angesichts des ungeheuren Drehmoments nicht allmählich über die Kombination dieses Motors mit Allradantrieb nachdenken müssen? Schliesslich will der Käufer, wenn er sich bei AMG bedient, das Topmodell. Die Frage stellt sich im AMG-Hauptquartier in Affalterbach noch nicht. Aber man denkt darüber nach, vielleicht für die nächste Evolutionsstufe des Motors, wenn die PS-Angabe mit einer "6" beginnt. Bis dahin bietet sich für beide Fahrzeuge beim Preis auch jetzt schon fast grenzenlos Luft nach oben. Das AMG Performance Studio hat da so einige Ideen für die Individualisierung oder noch zusätzliche Leistung. So schön kann das Leben mit solchen Autos sein, doch sei gestattet was bringt's? Die Antwort lehren einem beide Modelle schon nach wenigen Kilometern Selbsterfahrung am Volant: das beruhigende Gefühl der Sicherheit, dass man den meisten Verkehrssituationen gewachsen sein wird, sei es nun mit positiver oder mit negativer Beschleunigung oder bei hohen Seitenkräften. Ruhe ist schon deswegen angebracht, weil man dem kernigen Knurren des Achtzylinders beim Beschleunigen gern zuhören möchte. Denn der Motor dringt längst nicht so heftig ans Ohr wie er zupackt. Bemerkenswerte Beschleunigung muss eben nicht immer mit Krach verbunden sein. Das niedrige Geräuschniveau unterstützt das Gefühl der Gelassenheit, die den sicheren Autofahrer auszeichnet. Sehr schnell hat man begriffen, dass es reicht zu wissen, man könnte. Man will aber nicht immer, denn das Gleiten ist ein mindestens ebenso grosser Genuss wie das Auskosten der scheinbar grenzenlosen Kraft. Kenner können die AMG-Varianten natürlich von den "normalen" unterscheiden. Die neue, Respekt heischende Front und die Seitenlinie mit Kiemen vorn und Schwellern unter den Türen unterstreichen kräftig den Anspruch der AMG-Modelle, ohne sie in die Spoiler-Fraktion abgleiten zu lassen. Dahinter steht immer noch die gesamte Autorität der Marke Mercedes-Benz. Souveränität statt Aggressivität - diese Botschaft wird offenbar anerkannt. Denn selbst Sportwagen mit vergleichbaren Werten verzichten auf der Autobahn beim Treffen auf einen AMG in aller Regel darauf, einen Vergleich zu provozieren. Grosse AMG wie der S oder der CL fahren vielfach ausserhalb der Konkurrenz der PS-Protze. Aber auch denen könnte man es zeigen, wenn man wollte. Doch in der Ruhe liegt die Kraft, und in der Kraft liegt die Ruhe.
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