Fast jeder Hersteller unscheinbarer Serienmodelle baut mittlerweile "Sport"-Wagen. Diese zeichnen sich in der Regel durch überdimensionierte Spoiler, dicke Backen und breite Reifen aus. Meist sind diese Derivate schneller als deren technisch simpleren Geschwister, doch leider nur selten entsprechend harmonisch abgestimmt. Ein riskantes Spiel, um das Image so aufzupolieren. VW ist es eindrucksvoll gelungen. Der Golf kann darüber nur milde lächeln. Er ist dezent im Trend, kommt zwar auch mit eindeutigen Aussagen in Sachen Sportlichkeit daher - wie zum Beispiel dem auffälligen Grill in Alu-Optik, den in Blau lackierten Bremssätteln hinter 18-Zoll-Rädern und zwei mittig angeordneten Auspuffrohren. Der sportliche Charakter aber spiegelt sich hauptsächlich im Inneren wider. Hervorragende Schalensitze und ein Sportlenkrad mit Schalttasten für die Ansteuerung des Doppelkupplungsgetriebes DSG sind das Eine. Der kernige Sound des Sechszylinders mit nunmehr 250 PS das Andere. Daran erfreut sich nicht nur der Pilot des Gefährts, auch die Fussgänger mutieren unfreiwillig spontan zu Wendehälsen. Der neue R32 wurde im Gegensatz zu seinem Vorgänger dieses Mal direkt als Serienmodell aufgelegt. Neun PS mehr leistet der R32 in der zweiten Generation als sein Vorgänger, der im Übrigen auch bereits über das Doppelkupplungsgetriebe verfügte. Doch die aktuelle Schaltbox ist in ihrer technischen Reife nur schwer vorstellbar zu verfeinern. Und wenn das Bessere des guten Feind ist, muss es hier de facto lauten: Das Perfekte ist des Besseren Feind. Denn die einzelnen Schaltvorgänge finden mit einer derartigen Leichtigkeit und Perfektion statt, die die Arbeitsweise der Automatik-Schalt-Interpretationen anderer Hersteller wie Übungen eines Fahranfängers wirken lassen. Wer hingegen die Technik so lässig wie VW beherrscht, wird auch belohnt. Weil eben genau diese Schaltarbeit den sehr guten Wert von nur sechs Sekunden für den Spurt auf 100 ermöglicht. Erst ab 249 km/h wirkt die sehr lineare Beschleunigung etwas zäh. Spass beiseite, ab 250 km/h auf der Geraden ist bei einer Höchstdrehzahl von 6500 U/min definitiv Schluss. À propos Fahranfänger: Oft ist das Fahrschulauto ein Golf. Fast alle kennen das Gefühl der ersten Fahrstunde. Der Fahrschullehrer sagt: "Legen Sie den ersten Gang ein und fahren Sie los." Erinnerungen, die kein Autofahrer je vergisst. Im R32 jedoch schon, denn ein Kupplungspedal sucht man hier vergeblich. Und Angstschweiss gibt es auch keinen, da das Schalten, Lenken, Bremsen und Beschleunigen wie von selbst funktioniert. Der Fahrer als Empfänger einer nahezu virtuellen Autofahrt, so selbsterklärend, so technisch gelungen – die pure Wonne. Die Fahrlehrer verdienten nur die Hälfte, würden sie auf dem R32 ihre Schüler lehren. Nur die Tieferlegung um 20 Millimeter verlangt ein geringes Mass an Nehmerqualitäten. Per Saldo geht die Rechnung dennoch auf, der Fahrspass ist allgegenwärtig. Derart gerüstet scheint dem R32 der zweiten Generation der Erfolg sicher. Die insgesamt sehr gute Verarbeitung, tadellos funktionierende Technik und die sportliche Optik als Basis für gute Verkaufszahlen. Doch was kostet so ein Stück Wolfsburger Technik-Party? Ab dem 1. Juni müssen exakt 33'925 Euro investiert werden - und schon ist man im Club. Nicht wirklich günstig, doch dafür ist der R32 schon ab Werk mit feinen Zutaten wie Klimaautomatik, Bi-Xenon-Technologie und Allrad-Antrieb gesegnet. Nicht zu vergessen die magische Zahl 300, die das Ende der Tachoskala ziert. Ein kleines Bonbon, das der Fahrer gern lutscht. Und dabei schaltet, und schaltet...
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