Manchmal meinen es die Umstände mit den Jägern und Sammlern aberwitziger Temporekorde im Mormonenstaat Utah weniger gut. So zum Beispiel im vergangen und im Jahr davor. 2014 und 2015 weigerte sich der Untergrund am International Speedway standhaft, völlig auszutrocknen und die notwendige Stärke zu erreichen. Wegen zu viel Wasser und zu wenig Salz mussten die Tempo-Junkies unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren. Die Schuld daran trug der Salzabbau in der Nähe. Veteranen erinnern sich, dass die Salzschicht in den 1950er-Jahren noch bis zu 60 Zentimeter dick war, heute sind es meist nur noch fünf. Die Sorge ist groß, dass die Weltrekordjagd eineinhalb Autostunden westlich von Salt Lake City bald der Vergangenheit angehört. Doch dieses Jahr stehen die Ampeln endlich wieder auf grün. So fand bereits im August die Bonneville Speed Week statt, im September gibt es an gleicher Stelle die World of Speed und im Oktober abschließend die World Finals. Angefangen hat die Raserei vor 120 Jahren mit einem Fahrradrennen. 1914 ließ sich der amerikanische Rennfahrer Teddy Tetzlaff zum ersten Mal mit einem Auto auf den Bonneville Salt Flats sehen. Mit seinem deutschen Blitzen-Benz, einem für Autorennen eigens konstruierten Wettbewerbsfahrzeug von Benz & Cie in Mannheim (Vier-Zylinder-Reihenmotor, 21,5 Liter Hubraum, 147 kW / 200 PS) schaffte er 229,85 km/h.
Danach erzielten auf der Salzpiste todesmutige Tempofreaks hunderte nationaler und internationaler Rekorde. 1935 raste der Schotte Malcolm Campbell mit 485 km/h erstmals mehr als 300 Meilen in der Stunde mit seinem Campbell Rolls-Royce Railton Blue Bird (Rolls-Royce-V12-Motor, 36,7 Liter Hubraum, 1715 kW / 2332 PS). Auf gleich fünf Weltrekorde an gleicher Stelle brachte es der Amerikaner Craig Breedlove 1963, 1964 und 1965. Mit verschiedenen Fahrzeugen mit Strahltriebwerk, die alle den Namen „Spirit of America“ trugen, beschleunigte er zuerst auf 657,114 km/h, dann auf 754,330 km/h, 846,861 km/h, 893,966 km/h und 966,961 km/h.
Erster mit über 1000 km/h war im Oktober 1970 der Amerikaner Gary Gabelich mit seinem Raketenauto Blue Flame (1001,67 km/h). Dieser Rekord bestand 13 Jahre lang bis der Engländer Andy Green mit seinem Trust SSC (SSC = Super Sonic Car) erstmals mit einem düsengetriebenen Landfahrzeug die Schallmauer durchbrach und 1.227,985 km/h fuhr – allerdings nicht auf den Bonneville Salt Flats, sondern rund 500 Kilometer westlich in der Black Rock Desert im Bundesstaat Nevada. Sein Fahrzeug besitzt zwei Rolls-Royce-Spey-202-Triebwerke, die auch im F-4-Phantom-Kampfflugzeug benutzt werden und eine Leistung von 82 000 kW / 112 000 PS entwickeln. Schnellstes radangetriebenes Auto mit Verbrennungsmotor ohne Motoraufladung ist der Spirit of Rett Streamliner des Amerikaners Charles E. Nearburg (666,776 km/h). Im August 2010 stellten Studenten der Ohio State University einen Weltrekord für Elektroautos mit 495,140 km/h auf, als schnellster Diesel auf den Bonneville Salt Flats war im August 2006 Andy Green mit seinem JCB Dieselmax unterwegs (563,418 km h). Auch für Zweiräder gibt es eine Rekordliste. Derzeitiger Spitzenreiter ist der Amerikaner Rocky Robinson, der mit seiner Top Oil Ack Attack, die für Laien keineswegs als Motorrad erkennbar ist, im September 2010 genau 605,698 km/h fuhr. Das Kraftrad verfügt über zwei turbogeladene Suzuki-Motoren mit zusammen 2,6 Litern Hubraum und 750 kW / 1020 PS. Triumph will in diesem Jahr die 400-Meilen-Marke knacken und mit der Infor Rocket Streamliner über 640 km/h schnell sein. Ein riesiges Regelwerk mit strikt getrennten, Dutzenden und Aberdutzenden von Rubriken dient der Ordnung. Denn vom motorisierten Rollstuhl bis zum raketengetriebenen Einsitzer darf alles mitmachen, was Räder hat. Auch die Wahl des Treibstoffs bleibt den Teilnehmern überlassen, egal ob Äther, Benzin, Diesel, Ethanol oder Elektrizität. (ampnet/hrr)
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